Sind positive Genesungserwartungen bei Rückenschmerzen hilfreich?

Muskel-Skelett-Erkrankungen, insbesondere Rückenschmerzen sind der zweithäufigste Grund für gesundheitlich bedingte Frühberentungen und verursachen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage. Laut des Berichts „Gesundheit in Deutschland 2015“ vom Robert Koch-Institut litten 25% der Frauen und etwa 17% der Männer in den letzten zwölf Monaten unter chronischen Rückenschmerzen (d.h. drei Monate oder länger anhaltend und fast täglich). Dabei sind Kreuzschmerzen in den meisten Fällen (80 – 90 %) auf keine bestimmte behandelbare Ursache zurückzuführen und werden daher als „nicht-spezifisch“ bezeichnet.

Was hilft bei Rückenschmerzen?

Die Wissenschaft zeigt, dass beim unspezifischen chronischen Rückenschmerz langfristig Bewegung und eine gezielte Bewegungstherapie einen evidenten Behandlungserfolg nachweisen kann. Mehr zu diesem Thema finden Sie unter unserem Blogbeitrag: Warum Bewegung die wirksamste Therapie ist.

Dennoch gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung, was bei Rückenschmerzen die beste Vorgehensweise ist. Viele Menschen versprechen sich von passiven Maßnahmen und Bettruhe größere Erfolge in der Schmerzreduktion, obwohl diese keinen Nachweis einer Wirksamkeit bei unspezifischen chronischen Rückenschmerz zeigen und daher auch nicht als Therapie zu empfehlen sind.

Welche Rolle spielt unsere Erwartung an eine Behandlungsstrategie?

Was passiert nun, wenn wir uns von einer Bewegungstherapie bei Rückenschmerzen von Anfang an keine großen Erwartungen der Genesung versprechen? Studien liefern Hinweise darauf, dass Menschen, die geringe Erwartungen an eine Genesung haben, häufiger und länger unter Rückenschmerzen leiden. Die gute Nachricht, Erwartungen sind keine feste, unveränderbare Größe. Es gibt Evidenz dafür, dass die Erwartungen einer Person an ihre Genesung veränderbar sind.

Ob positive Erwartungen tatsächlich mit einer Verbesserung der Rückenschmerzen einhergehen haben Hayden et al. in ihrem Review näher untersucht. Betrachtet wurden die Erwartungen der Teilnehmer an ihre eigene Genesung und wie diese mit ihren Schmerzen, Einschränkungen von Aktivitäten, sowie ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz ein Jahr nach ihrer Rückenschmerzepisode zusammenhingen. Insgesamt wurden 60 relevante Studien eingeschlossen mit Informationen zu 30 530 Menschen mit Rückenschmerzen. Das Ergebnis zeigt, es besteht eine gute Evidenz dafür, dass Personen mit einer positiven Erwartung an ihre eigene Genesung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sich eher von ihren Schmerzen erholen und ihre Aktivitäten steigern.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig unsere eigene Einstellung ist und welchen Einfluss sie auf unsere Gesundheit haben kann. Es ist sinnvoll, sich über Genesungserwartungen Gedanken zu machen und zu reflektieren, wo Erwartungen möglicherweise dem wissenschaftlichen Kenntnisstand entgegenstehen. Zusätzlich ist der Arbeitgeber gefordert im Rahmen eines evidenzbasierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements die Beschäftigten über wirksame Maßnahmen aufzuklären sowie Konzepte zu entwickeln, die zu mehr Eigenverantwortung befähigen und eben nicht auf passive Maßnahmen setzen, wie Massagen am Arbeitsplatz, die gesundheitsbezogen eher unwirksam sind und sogar die negative Erwartung, dass Gesundheit mehr von außen kommt verstärken.

Quellen

Robert Koch-Institut (Hrsg) (2015) Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. RKI, Berlin.

Hayden JA, Wilson MN, Riley RD, Iles R, Pincus T, Ogilvie R (2019). Individual recovery expectations and prognosis of outcomes in non‐specific low back pain: prognostic factor review. Cochrane Systematic Review – Prognosis.

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