Warum eine limitierte Leistungsfähigkeit bedeutsamer ist

Wie in einem älteren Newsletterartikel berichtet, lassen sich verschiedene Forschungsstränge zum Thema Präsentismus unterscheiden. Die Forschung beschäftigt sich vor allem a) mit dem Verhalten von Mitarbeitern, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen, b) mit den Auswirkungen von Krankheiten auf die Produktivität und c) mit den Auswirkungen von verhaltensbedingten Risikofaktoren auf die Produktivität. Letztere sind in Deutschland weitestgehend unbekannt unter dem Begriff des Präsentismus. Dabei unterschätzt werden die eindeutigen Zusammenhänge zwischen verhaltensbedingten Risikofaktoren und der Arbeitsproduktivität. Bewegungsmangel, Fehlernährung, mangelndes Stressmanagement, Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck und hohe Cholesterinwerte sind Beispiele für verhaltensbedingte Risikofaktoren, die nachweislich einen negativen Einfluss auf die berufliche Leistungsfähigkeit haben. So zeigte auch eine in 2011 von Mitchell und Bates veröffentlichte Studie die überlegene Bedeutung dieser Risiken im Vergleich zur Bedeutung von Krankheiten für die Produktivität von Unternehmen (1).

Über eine Million Menschen untersucht

Sie untersuchten die Daten von über einer Millionen Personen zwischen 18 und 70 Jahren und einem Durchschnittsalter von 42 Jahren. Sie umfassten sowohl 13 lebensstilbezogene Risikofaktoren (z.B. Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, körperliche Aktivität, Wahrnehmung der eigenen Gesundheit, Stress) als auch 13 chronische Erkrankungen (z.B. Allergien, Rückenschmerzen, Krebs, Depressionen, Diabetes). Befragt wurden die Teilnehmer zudem zu der Anzahl der Tage, die sie in den letzten 12 Monaten aufgrund von Krankheit gefehlt hatten sowie zu ihrer Einschätzung, wie stark Zeit ihre körperliche Gesundheit oder mentale Probleme verschiedene Leistungsanforderungen in den letzten zwei Wochen erschwert haben (z.B. Zeitmanagement, kognitive Anforderungen, Interaktion mit Kollegen). Die in Prozent überführten Angaben zur Leistungseinschränkung wurden über die verschiedenen Anforderungen addiert und zu einem Score zusammengefasst.

Limitierte Leistungsfähigkeit bedeutsamer als krankheitsbedingte Abwesenheit

Das Ergebnis: Es konnte für beide Produktiviätsmaße (Absentismus und Präsentismus) ein signifikant positiver Zusammenhang zu der Anzahl an Risiken bzw. chronischen Erkrankungen festgestellt werden. D.h.: Je mehr chronische Erkrankungen die Teilnehmer angaben, desto mehr krankheitsbedingte Abwesenheitstage und desto mehr unproduktive Tage hatten sie. Gleiches galt für Gesundheitsrisiken. Je mehr Gesundheitsrisiken die Teilnehmer aufwiesen, desto mehr krankheitsbedingte Abwesenheitstage und desto mehr unproduktive Tage gaben sie an. Zudem zeigte sich, was bereits in vielen vorherigen Studien immer wieder beobachtet wird: die Anzahl der unproduktiven Tage (definiert als die Summe vollständig unproduktiver Zeit an einzelnen Arbeitstagen), war höher als die Anzahl verlorener Produktivität aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheitstage. Im Durchschnitt berichteten die Teilnehmer von zwei krankheitsbedingten Fehltagen. Der Produktivitätsverlust aufgrund von unproduktiver Zeit durch gesundheitliche Einschränkungen belief sich auf Durchschnittlich neun Tage.

Betriebliches Gesundheitsmanagement sollte die Förderung von Gesundheitsverhalten betonen

Die größten gesundheitsbezogenen Chancen für mehr Produktivität stecken für Unternehmen damit in denjenigen Menschen, die zwar anwesend, aber aufgrund ihres Gesundheitsverhaltens in ihrer Leistungsfähigkeit limitiert sind. Einer Steigerung der individuellen Gesundheitskompetenz, bestehend aus der Motivation und Fähigkeit, gesundheitsförderliche Gewohnheiten zu entwickeln, sollte daher im Rahmen des Unternehmerischen bzw. Betrieblichen Gesundheitsmanagements die meiste Aufmerksamkeit zukommen.

 

Quelle:

(1)    Rebecca J. Mitchell & Paul Bates (2011). Measuring Health-Related Productivity Loss. POPULATION HEALTH MANAGEMENT, 14(2).

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