Warum die psychische Gefährdung kaum beurteilt wird

Seit Ende 2013 ist es ein Gesetz. Die psychische Gefährdungsbeurteilung muss laut Arbeitsschutzgesetz explizit in dem Umfang einer Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Mit einer Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen sind. Dabei kann sich eine Gefährdung auch durch psychische Belastungen bei der Arbeit ergeben. Es geht hier also um die Identifizierung von Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz, die negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben, genauso jedoch auch anregend wirken können. Denn eine psychische Belastung ist zunächst neutral. Erst durch die persönlichen Reaktionen bei psychisch belastenden Einflüssen zeigt sich, wie beanspruchend die Einflüsse vom Einzelnen wahrgenommen werden.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass nun nicht nur die physischen Belastungen am Arbeitsplatz wie Luftverhältnisse, Ergonomie und Arbeitsstoffe in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden müssen, sondern auch psychische Belastungen Beachtung finden. Das Problem hierbei findet sich vor allem in der Umsetzung wieder: viele Unternehmen stehen ratlos vor der Frage, welche Faktoren eine psychische Belastung eigentlich ausmachen und wie sie diese in einer Gefährdungsbeurteilung am besten messbar machen. Das zeigt auch eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Dekra. Danach ist nur bei 41 Prozent der rund 300 betrachteten mittelständischen Betriebe eine solche Beachtung der psychischen Komponente vorzufinden.

Wann kann man von psychischer Belastung sprechen?

Die psychische Belastung ist von psychischer Beanspruchung abzugrenzen. Unter Belastungen versteht man Faktoren, die von außen auf uns Menschen einwirken. Beanspruchungen sind dahingegen die subjektiven Folgen von Belastungen. Psychische Belastungen können sich in vielfältiger Weise zeigen. Bedeutsame Faktoren sind hier vor allem negative Wirkungen durch etwa die Arbeitsintensität, die Länge und Flexibilität der Arbeitszeit, der Leistungsanspruch an die Tätigkeit, aber auch Lärm und Klima. Wichtig zu verstehen ist hierbei allerdings, dass wir psychische Belastung brauchen, denn sie ist der Antreiber der menschlichen Entwicklung. Psychische Belastung führt zu Beanspruchung, die sich jedoch nicht zwangsläufig negativ auswirken muss. Sie kann auch im positiven Sinne anregend wirken. Dazu zählen z.B. die Aktivierung, die Weiterentwicklung körperlicher und geistiger Fähigkeiten und die Steigerung des Wohlbefindens.

Von einer effektiven Arbeitsatmosphäre ist die psychische Belastung als Motivationsfaktor ebenso wenig wegzudenken wie die physische Belastung. Halten Bedingungen wie ungünstig strukturierte Schichtpläne und hoch zeit- und leistungsbezogene Anforderungen allerdings über einen längeren Zeitraum an, können diese gesundheitsgefährdende Auswirkungen haben. Auch hier sei anzumerken, dass die psychische Beanspruchung als Folge der psychischen Belastung hochindividuell ist und von den Eigenschaften und Verhaltensweisen des jeweiligen Menschen abhängt. Jeder Mensch ist anders und reagiert unterschiedlich auf die psychisch belastenden Einflüsse. Es geht also vor allem darum, die Eigenverantwortung und das Gesundheitsverhalten jedes Einzelnen zu stärken und ihn bei der Entwicklung einer eigenen Bewältigungsstrategie zu unterstützen.

Psychische Beeinträchtigungen sorgen für längere Ausfallzeiten

Die Folgen von psychischen Belastungen Beeinträchtigungen sind weitreichend. Nach dem AOK-Fehlzeitenreport 2018 haben die Ausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen von 2007 bis 2017 erheblich zugenommen – und zwar um fast zwei Drittel. Aber: wie bereits in einem früheren Blogartikel berichtet, liegt den gestiegenen Zahlen nicht ein Anstieg an Erkrankungen, sondern vielmehr ein verändertes Bewusstsein und eine stärkere Sensibilität von Ärzten und Patienten in Bezug auf psychische Erkrankungen zugrunde. Viele Beschäftigte fühlen sich psychischer Belastung ausgesetzt, die psychisch beeinträchtigende Beanspruchung und Stress verursacht. Als auslösende Einflüsse dieser Fehlbeanspruchung gelten hohe Verantwortung, hoher Zeitdruck, große Arbeitsmenge, große Genauigkeit und ständiges Aufmerksamkeitserfordernis.

Die richtige Umsetzung der psychischen Gefährdungsbeurteilung

Eine psychische Gefährdungsbeurteilung stellt kein von der physischen Gefährdungsbeurteilung gesondertes Verfahren dar. Bestehen bereits Prozesse zur Gefährdungsbeurteilung, so kann die psychische Belastung in diese integriert werden. Voraussetzung für die Umsetzung ist eine Sensibilisierung der Akteure für das Thema, die das Wissen über grundlegende Zusammenhänge von Auftreten und Wirkung einschließt.

 

Quellen:

https://media.dekra.com/media/2018-11-21-arbeitssicherheitsreport-ansicht-einzelseiten-klein.pdf?_ga=2.73632795.828552433.1545046038-934143415.1544016415

https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/A45.pdf?__blob=publicationFile&v=2

betriebliches Gesundheitsmanagement, Eigenverantwortung, psychische Gesundheit
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