Warum die Diskussion um Anti-Stress-Verordnung anhält

Die Diskussionen um eine Anti-Stress-Verordnung zur Vorbeugung psychischer Erkrankungen halten nach wie vor an. Über einen Gesetzesentwurf wird derzeit im Bundestag beraten. Experten-Meinungen wie die des Arbeitspsychologen Dr. Stephan Sandrock am Institut für angewandte Arbeitswissenschaft in Düsseldorf bewertet die geforderten Gesetzesmaßnahmen jedoch als nicht zielführend, da unter anderem wichtige Facetten des Themas wie die Sensibilisierung und Eigenverantwortung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier nicht berücksichtigt würden. Die momentane „mediale Hetze“ um Arbeitsbedingungen und deren krankmachende Wirkung müssten einer objektiven und versachlichten Diskussion weichen (1). So ist es auch dem Arbeitgeberpräsidenten Dr. Dieter Hundt in seiner Rede auf der BDA-Tagung „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ ein wichtiges Anliegen, „in der bisweilen etwas aufgeregten Diskussion über psychische Gesundheit für mehr Sachlichkeit zu werben. Es schadet der Sache, wenn die Debatte über psychische Gesundheit bisweilen mit falschen Zahlen, verzerrenden Darstellungen und unberechtigten Vorwürfen geführt wird“ (2).

Anti-Stress-Verordnung: Arbeitsbedingungen sind stabil

Diese Meinungen stützen sich unter anderem auf Untersuchungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Diese hat im Januar den Stressreport Deutschland 2012 vorgestellt und fasst zusammen, dass sich die psychischen Anforderungen und Ressourcen in Deutschland seit der letzten Erhebung 2005/2006 im Großen und Ganzen kaum verändert haben. Auch der Anteil der Personen, die die jeweiligen Anforderungen als belastend erleben, hat sich nicht substanziell verändert. Dreiviertel der Befragten geben an, den fachlichen und mengenmäßigen Anforderungen gewachsen zu sein. Die qualitative Passung  von Anforderungen und Person hat dabei sogar zugenommen. Die auf der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012 beruhenden und umfassendsten Datenquelle zu diesem Thema berücksichtigte ausschließlich Angestellte und Beamte. Insgesamt wurden 17 562 abhängig Beschäftigte zwischen 15 und 75 Jahre in Telefoninterviews befragt, wobei die meisten aus Dienstleistungs- und Fertigungsberufen stammten (3).

Arbeit schafft psychische Stabilität und hält gesund

Das Fazit des Stressreportes entspricht den Aussagen des Arbeitgeberpräsidenten Dr. Dieter Hundt. Unternehmen seien demnach zwar klar in der Verantwortung, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie die Gesundheit der Mitarbeiter nicht gefährden. Zu betonen sei aber vor allem, dass Arbeit grundsätzlich für die meisten von uns eine positive und psychisch stabilisierende Wirkung hat. Nicht ohne Grund liege das psychische Wohlbefinden der Beschäftigten daher über dem der Menschen in Arbeitslosigkeit. Dass sich 50% aller psychischen Störungen bereits bis zum 15. Lebensjahr entwickelt haben, ist ein weiteres Argument dafür, dass es falsch ist, psychische Erkrankungen vorrangig auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen (2, 3).

Mitarbeiterkompetenz durch BGM stärken

Für das Betriebliche Gesundheitsmanagement bedeutet dies, dass vor allem ein Umdenken stattfinden und die Forderung der Eigenverantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters als Voraussetzung für langfristige Gesundheit im Unternehmen verstanden werden muss (4). Mit einer Vereinfachung der Ursachen psychischer Erkrankungen sowie mit darauf aufbauenden, vereinfachenden Lösungsansätzen und einer Anti-Stress-Verordnung ist auch laut Hundt den Betroffenen am wenigsten geholfen (2). Durch diese verzerrte Darstellung werden sie vielmehr in eine Opferrolle gedrängt, die ihnen letztlich die Ressource abspricht, ihre Stressresistenz durch das eigene Handeln zu erhöhen und ihre Gesundheit damit langfristig erhalten zu können. Es ist daher Aufgabe der Unternehmen, sie bei dem Aufbau ihrer Stresskompetenz und einem verbessertem Gesundheitsverhalten zu unterstützen. Dass hiermit nicht nur Fehlzeiten reduziert, sondern auch die Produktivität der Mitarbeiter durch eine verbesserte körperliche und geistige Fitness gesteigert werden kann, ist mittlerweile in vielen Studien, darunter auch Konzeptevaluationen von padoc®, gezeigt worden (5,6).

 

Quellen:

(1)     Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (2012). Anti-Stress-Verordnung praxisfern und nicht zielorientiert. Pressemitteilung am 27.06.2012.

(2)     Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Die Perspektive der Arbeitgeber. Rede vom Arbeitgeberpräsidenten Dr. Dieter Hundt auf der Tagung „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ Berlin, 29. Januar 2013.

(3)     Lohmann-Haislah, A. (2012). Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Dortmund/Berlin/Dresden: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

(4)     Böhne, A. & Breutmann, N. (2009). Beschäftigungsfähigkeit erhalten – Eigenverantwortung stärken. Zeitschrift für Arbeitswissenschaften, 63(4).

(5)     Lümkemann, D. (2011). Die Produktivität steigt. Personalmagazin – 03/2011

(6)     Steinke, M. & Badura, B.  (2011). Präsentismus: Ein Review zum Stand der Forschung. 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2011.

Anti-Stress-Verordnung, Eigenverantwortung, Gesundheitsverhalten, Stressmanagement
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