Wie ein BGM den Krankenstand um 25% senkt

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) hat einen wirtschaftlichen Nutzen. Es reduziert den Krankenstand. Dies zeigen verschiedene Reviews und Metaanalysen, die den aktuellen Forschungsstand von Evaluationsstudien zusammenfassen und auswerten (1). Larry S. Chapman hat 2012 ein neues Review veröffentlicht. Es bezog aus den gesichteten 650 Evaluationsstudien 62 Studien entsprechend ausgewählter Qualitätskriterien in die Analysen mit ein. Zu den Kriterien zählten das Untersuchungsdesign, Stichprobengröße, Detaillierungsgrad und Qualität der beschriebenen Methoden, Angemessenheit und Replizierbarkeit der Intervention, Beobachtungszeitraum und Durchführungszeitpunkt. Ergebnis des Reviews ist ein Studien-Ranking nach Qualität und Relevanz und die durchschnittliche Berechnung der dort beobachteten ökonomischen Effekte. In Bezug auf den Absentismus berichtet das Review, dass der Krankenstand durchschnittlich um 25,1 % reduziert wurde (N=26). Der durchschnittliche Return on Investment (ROI) liegt bei 1 : 5,56 (N=25).

Konstante Ergebnisse trotz methodischer Herausforderungen

Das Review weist darauf hin, dass den Studien eine zu große Methodenvielfalt zugrunde liegt, als dass die errechneten Effekte auf die Wirkung anderer Gesundheitsprogramme generealisiert werden könnten. Dennoch betonen die Autoren, dass eine erstaunliche Konsistenz der Ergebnisse zu beobachten sei. Das Review kann als eine gute Orientierung für zu erwartende Effekte von Gesundheitsprogrammen dienen (2). Ein früheres Review ermittelte bereits die Reduzierung des Krankenstandes um durchschnittlich 25% (3). Die Berechnung des ROI hingegen beruht häufig auf unterschiedlichen Modellen, weshalb die durchschnittliche Bewertung als schwierig gilt (1).

Präsentismus in Bezug auf Krankenstand wirtschaftlich bedeutsamer als Absentismus

Produktivitätsstudien zeigen, dass über die Krankenstand-Senkung hinaus, Gesundheitsprogramme die Produktivität von anwesenden Mitarbeitern durch die Reduzierung von verhaltensbedingten Risikofaktoren steigern. Wie bislang noch wenig bekannt, ist dieser Effekt wirtschaftlich bedeutsamer als die Krankenstand-Reduzierung (4). Dieses als Präsentismus bezeichnete Phänomen findet im deutschsprachigen Raum bislang jedoch kaum bei der Einschätzung wirtschaftlicher Effekte von BGM Berücksichtigung. Unter Präsentismus wird stattdessen häufig nur das wirtschaftlich und gesundheitlich bedeutsame Risiko verstanden, dass Mitarbeiter trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. Die Chancen, die in der Reduktion weit verbreiteter Risikofaktoren wie beispielsweise Bewegungsmangel, Fehlernährung, Bluthochdruck, Diabetes, starkes Übergewicht usw. liegen, werden eher selten in die Diskussion mit einbezogen und als Ressource für mehr Produktivität daher wenig genutzt.

Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung stärken

Dass sich Betriebliches Gesundheitsmanagement bei Einhaltung gewisser Qualitätsstandards rentiert, ist mittlerweile unumstritten. Voraussetzung für einen hohen Produktivitätsgewinn und somit Return on Investment ist allerdings eine hohe Qualität der Programme, die sich als ganzheitliches BGM konzeptgeleitet in das Unternehmen integrieren (3). Führungskräfte spielen dabei eine wichtige Schlüsselrolle. Über den viel diskutierten „gesunden Führungsstil“ hinaus können Führungskräfte ihren Mitarbeitern zu einer verbesserten Gesundheitskompetenz verhelfen, indem sie die Eigenverantwortung der Mitarbeiter in einem interessierten und wertschätzenden Gesundheitsdialog offen ansprechen. Dass hier die in einigen Fällen befürchtete Grenze zum Privaten weit überschritten und Widerstand statt einer vertrauensvollen Begegnung ausgelöst wird, widerspricht den zahlreichen Fall-Beispielen, die eine positive Veränderung der Unternehmenskultur belegen.

Ein Beispiel hierfür ist das von padoc® entwickelte und durchgeführte Pilot-Projekt bei der KKH-Allianz, welches von der Freien Universität Berlin hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht wurde. Hier konnte die Produktivität jedes Mitarbeiters um durchschnittlich 2,6% gesteigert werden, was die Ergebnisse internationaler Produktivitätsstudien bestätigt (5,1). Die weitere Evaluation theoriegeleiteter und professionell umgesetzter Konzepte wird den wirtschaftlichen Nutzen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements weiter untermauern.

 

Quellen:

(1)     Steinke, M. & Badura, B.  (2011). Präsentismus: Ein Review zum Stand der Forschung. 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2011.

(2)     Chapman (2012) Meta-Evaluation of Worksite Health Promotion Economic Return Studies: 2012 Update. American Journal of health promotion, 26(4), TAHP- 1 – TAHP-12.

(3)     Pelletier, K. R. (2010). A Review and Analysis of the Clinical and Cost-effectiveness Studies of Comprehensive Health Promotion and Disease Management Programs at the Worksite. Update VIII 2008 to 2010. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 53(11), 1310–1331.

(4)     Badura, B. & M. Steinke (2012). Die erschöpfte Arbeitswelt. Durch eine Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie, Kreativität, Wohlbefinden und Erfolg! Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.

(5)     Lümkemann, D. (2011). Die Produktivität steigt. Personalmagazin – 03/2011.

betriebliches Gesundheitsmanagement, Gesundheitsmaßnahmen, Gesundheitsverhalten, Krankenstand, Leistungsfähigkeit, ökonomischer Nutzen, Präsentismus
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